Fachidioten

Nast BlogGesellschaft, Leadership, Partner, Persönlichkeitsentwicklung, SelbstreflexionLeave a Comment

Fachidioten sind deshalb ein Übel, weil sie aufgrund Ihres Fachwissens davon ausgehen, bessere Menschen zu sein. Dadurch schaffen Sie Ungleichheit.

Es ist eine Tatsache, dass wir Menschen uns voneinander unterscheiden. Es gibt Grosse und Kleine, Sportliche und Unsportliche, besser und weniger gut Ausgebildete. Die Schwierigkeit von gut und meist einseitig ausgebildeten Fachwissenden ist, dass sie relativ wenig Mitmenschen treffen, mit denen sie sich auf Augenhöhe in ihrem Wissensgebiet austauschen können.

Ein Beispiel: Herr Müller ist Journalist und hat zwei gute Freunde mit speziellen Fachausbildungen. Einer ist Astrophysiker, der andere Mathematiker. Die zwei kennen sich nicht. Mit beiden versteht sich Müller gut. Aus gutem Grund sprechen sie bei ihren jeweiligen Treffen weder über Astrophysik noch über Mathematik. Dafür umso mehr über Gott und die Welt. Als er eines Tages beide Freunde zu einem Nachtessen zu dritt einlädt, weil er sicher ist, dass sie sich gut verstehen werden, wird dies für Müller langweilig. Er kann nicht mitsprechen. Ihm fehlt das Fachwissen seiner Freunde, doch diese finden im neuen Gegenüber jemanden, mit dem sie die gleiche Sprache sprechen.

Mit Fachwissen verhält es sich also wie mit Fremdsprachen. Nicht alle sprechen «Mathematik» oder «Astrophysik». Nicht alle verstehen die Sprache «Buchhaltung» oder «Unternehmensführung». Nicht alle sprechen Französisch oder Chinesisch.

Zum Problem werden Fachidioten erst, wenn sie sich aufgrund ihres Wissens einbilden, bessere Menschen zu sein, wenn sie aufgrund anderer Lebensrollen und aufgrund von anderen Identitäten, sich über andere erheben. Fachidiotie ist ein Problem der Einsamkeit und des Narzissmus. Weil jeder Beruf und jeder Werdegang sich eine andere Sprache zu eigenmacht, kann man sich schlecht mit anderen unterhalten. Ein Rapport gestaltet sich schwierig. Statt dass man das Gemeinsame sucht, findet man die Unterschiede. Und diese trennen uns. In den Augen eines einsamen Mathematikers ist er von lauter dummen Mitmenschen umgeben. Der Chefchirurg schüttelt den Kopf über die unwissenden Pflegenden. Der Unternehmer versteht sich mit seiner Mannschaft nicht.

Im Kontext Leadership und Lebensweisheit sind sich allerdings der Chirurg und die Pflegefachfrau wieder gleich. Beide sind in der Sprache «Leadership» nicht bewandert, und partnerübergreifende Zusammenarbeit ist für beide eine Fremdsprache.

Die Grenzen von Fachwissen zu Fachwissen sind überwindbar, wenn wir die Zäune nicht zu hoch werden lassen und voll Interesse in den Nachbargarten schauen. Dann ist der Chirurg ein meisterhafter Handwerker und die Pflegefachfrau eine emphatische Helfende. Dann braucht es beide zur Gesundheit eines Patienten.

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus unserem aktuellen Buch „Partner für eine nachhaltige Wirtschaft“. Bestellen können Sie es gerne hier: https://www.nast-leadership.ch/buecher/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert